Mutterinstinkt gibt es nicht?
- Katrin Haaga
- 21. Jan.
- 4 Min. Lesezeit

Manchmal habe ich das Gefühl, mein Leben gerade ganz gut im Griff zu haben.
Und genau dann kann ich darauf wetten, dass ich eine Situation gerate, in der ich absolut keinen Schimmer habe, was jetzt zu tun ist.
Willkommen im Familienalltag
Eines habe ich in 10 Jahren Elternschaft gelernt:
Das Leben mit Kindern hält immer wieder Überraschungen bereit.
Gerade hat man sich daran gewöhnt, dass das Kleinkind durchschläft, da mag es abends auf einmal so gar nicht mehr einschlafen.
Gerade hat man den Dreh raus, wie der Übergang von zu Hause in die Kita gut für alle funktioniert, da wird aus dem Kleinkind auf einmal eine große Schwester / großer Bruder und das Leben steht Kopf.
Gerade hat man sich daran gewöhnt, wie das größere Kind die Morgenroutine vor Kita/Schule braucht, um gut in den Tag zu starten, da braucht das Geschwisterkind etwas ganz Konträres und du hast keine Ahnung, wie du all die Bedürfnisse unter einen Hut bekommen sollst.
Gerade freut man sich, dass das Kind gut in der neuen Schulsituation angekommen ist, da wird man mit Schwierigkeiten beim Lernen konfrontiert oder mit unschönen Szenen unter den neuen MitschülerInnen.
Gerade freust du dich, dass dein Kind selbstständiger wird und du es nicht mehr überall hin begleiten musst, da kommen die Sorgen "Wie geht es ihm/ihr wohl gerade? Ist er/sie gut am Ziel angekommen?"
Mythos Mutterinstinkt
Im Laufe unserer Elternschaft werden wir immer wieder mit Situationen konfrontiert, die wir zum allerersten Mal erleben.
Und die Gesellschaft hat gerade uns Müttern erfolgreich eingeimpft, dass uns unser angeborener Mutterinstinkt schon sagen wird, was jetzt zu tun ist.
Aber dass wir in diese Rolle hineingeboren werden und da dann schon einfach von allein hineinwachsen, ist ein riesengroßer Mythos. Und dieser Mythos führt dann tragischerweise auch immer dazu, dass gerade Mütter alleine bleiben und die Scham wächst, denn „Ich sollte das doch hinkriegen, Mutter sein liegt doch in meiner Natur, die anderen schaffen es doch auch“.
Dieser Irrglaube kann uns davon abhalten, uns Hilfe zu suchen bei Familie, Freunden oder auch mithilfe eines Coachings oder einer Beratung.
Und was passiert, wenn wir alleine bleiben? Wir werden noch gestresster und Selbstzweifel und Schuldgefühle nehmen zu.
Verabschiede dich von dem Gedanken, dass du falsch oder gar eine schlechte Mutter bist. Das ist aber vollkommener Quatsch. Eltern sein, das liegt eben nicht einfach in uns und wir brauchen ein wohlwollendes, ein unterstützendes Umfeld, was uns an die Hand nimmt. Wir dürfen in diese Rolle hineinwachsen und werden nie auslernen.
Beispiel gefällig aus meinem Familienalltag?
Bei der Eingewöhnung meines 3. Kindes in die Kita habe ich gedacht, dass ich das ja alles schon kenne, was soll schon passieren. Tja, Pustekuchen. Mein 3. Kind ging zwar nach einer gewissen Eingewöhnungszeit ganz gern in die Kita, weigerte sich jedoch standhaft dort etwas Essbares anzurühren. Dieser Zustand hielt sich hartnäckig, so dass ich einiges von daheim in die Brotbox packen musste, damit das Kind den Kitatag gut meistern konnte.
Eine Situation, die ich so nicht kannte und so noch nie erlebt habe.
Ich hatte keine Lösung. Wir mussten die Situation als Eltern aushalten, mit der Kita im Austausch bleiben, mit dem Kind sprechen und immer wieder Dinge ausprobieren.
Das war der Punkt, an dem ich feststellte „Ich weiß, dass ich absolut nichts sicher weiß“.
Ich hatte keine adhoc Lösung für diese Herausforderung, was ich aber hatte, war Zuversicht und Vertrauen in mich und mein Kind.
Mittlerweile isst K3 dort alles und wir haben damit überhaupt kein Thema mehr.
Hat mir mein "Mutterinstinkt" weitergeholfen? Nein!
Haben wir ganz viel gezweifelt, gesprochen und ausprobiert? Auf jeden Fall!
Lernen durch Ausprobieren
Elternschaft ist ein ständiges Abwägen und Ausprobieren.
In jeder neuen Situation (abstillen, Schnuller entwöhnen, trocken werden, große Schwester/Bruder werden, in die Kita/Schule gehen, Umzug und und und) können wir nur ausprobieren, wie wir es gemeinsam als Familie am besten schaffen.
Mutterinstinkt gibt es nicht?!
Was für eine Entlastung. Das nimmt uns Müttern, die wir eben oft nicht wissen, was zu tun ist, doch eine wahnsinnige Last von den Schultern!
Es ist eben nicht schlimm, wenn ich als Mutter gerade keinen Schimmer habe, wie ich mit den neuerlichen Wutanfällen umgehen soll. Vielleicht hat ja der Papa eine Idee?
Ich muss eben nicht immer automatisch wissen, was mein Kind gerade braucht oder es sich so verhält, wie es sich verhält.
Ich muss mich deswegen nicht als schlechte Mutter oder als Versagerin fühlen.
Im Zweifel gibt es eben mehr als nur eine fürsorgende Person, die genauso zuständig für das Kind ist und es mit all seinen Besonderheiten genauso gut kennengelernt hat.
Wir dürfen also gemeinsam Dinge ausprobieren und sehen, wie es für uns besser gehen kann. Wir dürfen uns Unterstützung suchen und gemeinsam mit anderen nach Lösungen suchen. Wir sind als Mutter nicht die einzige fürsorgende Person.
Was bedeutet Familie?
Familie ist ein Gemeinschaftsprojekt! Sie lebt eben nicht allein von der Fürsorge der Mutter und deren natürlichem Instinkt.
Familie sein bedeutet, sich immer wieder in neuen Situationen wiederzufinden, Lösungsmöglichkeiten abzuwägen und vor allem den eigenen Weg durch die Irrungen und Wirrungen des Familienalltags zu finden.
Und zum Abschluss gebe ich dir noch zwei Fragen mit - nimm Sie gern mit in deinen Alltag und beantworte sie für dich.
Wenn du daran denkst, dass es den Mutterinstinkt nicht gibt - was macht das mit dir?Und: Was macht deine Familie aus?
Wir hören oder lesen uns.
Deine Katrin
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